„Das sind die Momente, für die ich den Fußball so liebe“
Bruchsals Coach Mirko Schneider spricht über die Hinrunde, sein Saison-Highlight und die Chance auf den DFB-Pokal
Bruchsal. Der Druck hat gewirkt. Nicht zuletzt, weil der 1. FC Bruchsal mit einem Boykott seines Auswärtsspiels in Linx drohte, ist die Saison in der Fußball-Oberliga bis Mitte Februar unterbrochen. Die Mannschaft von Mirko Schneider, die aktuell mit 15 Punkten Tabellenplatz 18 in der 20er-Staffel belegt, steht dann erneut vor einem Mammutprogramm mit 21 oder 22 Partien binnen vier Monaten. Sollte es das 22. Spiel geben, stehen die Bruchsaler erstmals im Verbandspokal-Finale – mit der Chance auf die Teilnahme am DFB-Pokal der Saison 2022/23. Warum Schneider an diese Chance glaubt, weshalb er den Oberliga-Klassenverbleib für möglich hält und warum er dem SV Waldhof Mannheim die Daumen drückt, hat der 46-jährige Büchenauer unserem Redaktionsmitglied Marcel Winter in einem Gespräch erklärt.
Der 1. FC Bruchsal, besonders in Person von Sportvorstand Michael Grub, hat sich besonders heftig dagegen gewehrt, in diesem Jahr noch ein Spiel bestreiten zu müssen. Von „Erpressung“ und „Verantwortungslosigkeit“ war sogar die Rede. Was meinen Sie: War die Unterbrechung durch die Verbände alternativlos?
Schneider: Ich finde es tatsächlich sehr problematisch, wenn der eine trotz Impfdurchbrüchen spielen muss, weil der Gegner nicht bereit ist, zu verlegen – während andere ihre Partien ins nächste Jahr schieben. Ich halte das dem Fairplay-Gedanken nicht zuträglich. Deshalb bin ich froh, dass die Runde jetzt unterbrochen wurde. Das bringt Einheitlichkeit und alle starten im Februar auf fast dem gleichen Stand.
Ihr Spiel beim FC Villingen steht noch aus, das Ende November dem Schnee zum Opfer fiel…
Schneider: Das soll nun am 19. Februar nachgeholt werden, wobei wir das Heimrecht getauscht haben und zunächst in Bruchsal spielen wollen – in der Hoffnung, dass die Witterung uns nicht wieder einen Strich durch die Rechnung macht. Nach Villingen müssen wir dann am letzten Spieltag Anfang Juni.
Im besten Fall macht der 1. FC Bruchsal dann im Schwarzwald den Klassenverbleib perfekt. Für wie groß halten Sie die Chance, dass dies gelingen kann?
Schneider: Wir müssen da realistisch sein. Wenn der Worst Case eintritt und es tatsächlich sieben Absteiger geben sollte, wird es nahezu unmöglich, drinzubleiben. Wir haben schon jetzt elf Punkte Rückstand auf den Tabellen-13. Wenn ich mir aber die aktuelle Regionalliga-Tabelle anschaue, bin ich schon deutlich optimistischer. Es besteht die Chance, dass kein Verein aus Baden-Württemberg absteigt. Und wenn dann noch der Oberliga-Zweite aufsteigen sollte, gehen aus der Oberliga nur Vier runter. Und 16. zu werden, liegt absolut im Bereich des Möglichen.
Woher nehmen Sie den Optimismus? Es lief ja in der Hinrunde nicht immer alles nach Plan…
Schneider: Die Breite des Kaders war auf Grund der vielen Langzeitverletzten eigentlich zu keinem Zeitpunkt so da, wie man sich das als Trainer wünscht. Wenn wir über die Winterpause aber alle verletzten Spieler fit bekommen, bin ich davon überzeugt, dass wir für die restlichen 20 Ligapartien und hoffentlich zwei Pokalspiele eine schlagkräftige Truppe zusammenhaben. Durch einen breiter aufgestellten Kader erhoffe ich mir mehr Möglichkeiten, nicht zuletzt auch im Training. Und natürlich halten wir im Rahmen unserer Möglichkeiten auch beim Thema Neuzugänge die Augen offen.
Sie haben den Verbandspokal angesprochen. Mit einem Sieg gegen Türkspor Mannheim am 30. März 2022 stünde der 1. FC Bruchsal erstmals in seiner Vereinsgeschichte im Endspiel. Drücken Sie Waldhof Mannheim schon die Daumen? Denn wenn die in der Dritten Liga unter die ersten Vier kommen, bräuchte es nicht einmal den Titel, um in den DFB-Pokal einzuziehen?
Schneider: Es wäre natürlich gelogen, wenn ich sagen würde, ich drücke Waldhof nicht die Daumen. Ich bin aber auch ein abergläubischer Mensch und war immer gut beraten, den zweiten Schritt nicht vor dem ersten zu machen. Außerdem wäre das auch respektlos gegenüber unserem Halbfinal-Gegner. Türkspor Mannheim ist ein Top-Landesligist und eine harte Nuss für uns. Aber natürlich ist das eine einmalige Chance, ins Finale zu kommen. Die wollen wir unbedingt nutzen.
Blicken wir noch einmal auf das vergangene halbe Jahr. Was ist Ihnen in der sicher nicht einfachen Zeit besonders in Erinnerung geblieben?
Schneider: Neben dem Weg ins Pokal-Halbfinale mit dem Sieg im Elfmeterschießen gegen den 1. CfR Pforzheim war es vor allem ein Erlebnis, das exemplarisch für das steht, was unseren Verein ausmacht. Das Auswärtsspiel in Backnang hat bei uns allen ein ganz besonderes Gefühl ausgelöst. Wir sind ja wirklich mit dem letzten Aufgebot angereist. Und André Redekop und Roman Hajeck, die zunächst überhaupt nicht spielen wollten, haben uns in letzter Minute noch zum 3:2-Sieg geschossen. Das sind genau die Momente, für die ich den Fußball so liebe. Und es zeigt gleichzeitig, wie viel Herzblut diese Jungs haben und dass sie sich niemals aufgeben.
Klingt nach einer positiven Bilanz für das Jahr 2021…
Schneider: Wir sind in zwei Wettbewerben noch voll dabei und haben gezeigt, dass wir in der Oberliga mithalten können. Das ist doch was nach so einem Halbjahr mit vielen Höhen und Tiefen. Wir haben immer wieder Nackenschläge einstecken müssen und sind danach noch enger zusammengerückt. Das ist eine DNA, die man als Mannschaft entwickeln kann. Und daran arbeiten wir weiter.
Wie sehen die Planungen für den Winter aus?
Schneider: Aktuell trainieren wir nicht mehr, da wollen wir einfach unserer Verantwortung gerecht werden. Ich bin zwar weder Politiker noch Gesundheitsexperte, mein Gefühl sagt mir aber, dass wir die Runde ab Februar zu Ende spielen können. Inzwischen kann sich jeder auf 2G plus einstellen, mit einer gewissen Vorlaufzeit ist das durchaus machbar. Wenn es möglich ist, wollen wir nach dem Trainingsauftakt am 18. Januar vom 20. bis 23. Januar ein Trainingslager in der Pfalz machen. Dabei soll es darum gehen, auch mit den vielen Rückkehrern die Grundlagen für die Rückrunde zu legen. Es geht um die Spielidee, aber auch den Teamspirit, von dem wir so leben. Und dann wird es darum gehen, von Februar bis Juni durchzupowern. Es sind noch 60 Punkte zu vergeben. Wenn wir in einen Flow kommen, ist alles möglich.
Text: Marcel Winter
Bild: Simone Kochanek & Jan Prihoda
Grafik & Web: Maximilian Grub
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